KONGRESSHALLE NÜRNBERG
Die Kongresshalle in Nürnberg, ursprünglich als monumentales Versammlungsgebäude für die NSDAP geplant, blieb unvollendet und steht heute als Zeugnis des nationalsozialistischen Größenwahns. Nach Jahrzehnten wechselnder Nutzungen und Leerstands wird sie nun zu einem lebendigen Kulturort umgestaltet, der Raum für Kunstschaffende und das Staatstheater Nürnberg bietet. Diese Transformation verbindet die historische Auseinandersetzung mit einer zukunftsgerichteten kulturellen Nutzung.
Datum
2011
Ort
Nürnberg, Deutschland

Die Kongresshalle am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist das größte noch erhaltene Bauwerk aus der NS-Zeit und gilt als Nürnbergs bedeutendstes Bauwerk der Neuzeit. Sie war für Tagungen der NSDAP konzipiert und sollte Platz für bis zu 50.000 Menschen bieten.
Die Architekten Ludwig und Franz Ruff entwarfen die Halle in Anlehnung an das Kolosseum in Rom, jedoch in weit größeren Dimensionen. Mit einer Grundfläche von 275 mal 265 Metern und einer geplanten Höhe von 70 Metern hätte sie doppelt so viele Menschen fassen können wie das römische Vorbild.
Geplant war ein viergeschossiger, hufeisenförmiger Rundbau, der mit zwei Flügelbauten und einer Eingangshalle abgeschlossen werden sollte. Die hufeisenförmige Halle sollte von Tribünen umgeben sein, die alle auf das Zentrum der Halle ausgerichtet waren. Dort sollte sich die Rednerkanzel befinden, von der aus der „Führer“ seine Reden halten konnte.


Die Tribünen sollten oben mit einem 400 Meter langen und aus 88 Säulen bestehenden Säulengang umschlossen werden. Darüber, in etwa 70 Metern Höhe, war eine 25.000 Tonnen schwere, freitragende Dachkonstruktion aus Stahl mit einer maximalen Spannweite von 170 Metern geplant. In der Mitte dieser Dachkonstruktion, direkt über der Rednerkanzel, war ein großes Oberlicht vorgesehen, durch das Tageslicht genau auf den „Führer“ scheinen sollte.
Ob diese ambitionierte Dachkonstruktion tatsächlich realisierbar gewesen wäre, ist fraglich, da sie als äußerst schwierig umzusetzen galt und genaue Konstruktionspläne nie gefunden wurden.
1935, während der Reichsparteitage, erfolgte unter großem Aufwand der Baubeginn der Halle. Aufgrund des sumpfigen Untergrunds, der für einen solchen Bau ungeeignet war, dauerten die Fundamentarbeiten zwei Jahre. 22.000 bis zu 16 Meter lange Betonpfeiler wurden in den Boden getrieben, um den Bau überhaupt zu ermöglichen.
Ab 1937 arbeiteten ständig 1.400 Menschen auf der Baustelle, darunter auch zahlreiche Zwangsarbeiter, die im KZ Flossenbürg die fünf Meter dicken Granitblöcke für die Außenfassade aus dem Steinbruch schlagen mussten.





Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Bauarbeiten eingestellt, 1940 kurzzeitig wieder aufgenommen, um sie dann endgültig zu stoppen. Zu diesem Zeitpunkt fehlten noch der komplette Innenausbau, die oberste Etage, das Dach, weitere Etagen auf den Kopfbauten sowie die Eingangshalle.
Fertiggestellt waren nur die Erschließungsbauten, sodass es sich bei dem hufeisenförmigen Torso im Prinzip nur um ein Treppenhaus mit Fluren und Räumen für Sanitäreinrichtungen handelt – vermutlich das größte Treppenhaus Deutschlands.
Nach Kriegsende, als die Stadt in Trümmern lag, blieb die Kongresshalle weitgehend unbeschädigt und überstand den Krieg.
In den folgenden Jahren gab es zahlreiche Vorschläge und Ideen zum Umgang mit dem Gebäude. Neben dem Abriss, wie beim Märzfeld, wurden auch Ideen wie der Umbau der Halle zu einem Spaß- und Einkaufszentrum oder zu einer Sportarena diskutiert. Diese Pläne wurden jedoch nicht umgesetzt. Ab 1973 wurde die Option des Abrisses verworfen, da der Freistaat Bayern die Hinterlassenschaften der NS-Diktatur als geschichtsrelevant und erhaltenswert einstufte.
In den 1980er Jahren schlugen die Architekten Hellmut Ambos und Peter Weidenhammer vor, die Kongresshalle mit NS-Kunst zu füllen, um das gesamte Ensemble Wind und Wetter auszusetzen und es verfallen zu lassen.
Seit Kriegsende wurde das Gebäude vor allem als Lager für verschiedene Zwecke sowie als Bühne für Theaterstücke, Konzerte und Ausstellungen genutzt. Im linken Kopfbau befindet sich seit 1963 ein Konzertsaal der Nürnberger Symphoniker. Im rechten Kopfbau ist seit 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände untergebracht.
Im Dezember 2021 beschloss der Nürnberger Stadtrat, die Kongresshalle zu einem Ort der Künste und Kulturen zu entwickeln. Im Herbst 2023 begannen die Baumaßnahmen, zunächst mit der Schadstoffsanierung im Innenhof und Rundbau. Anschließend folgten Arbeiten zum Substanzerhalt und zur grundlegenden Nutzbarmachung des Bestandsbaus. Im Dezember 2024, früher als geplant, starteten die Bauarbeiten für den Ergänzungsbau im Innenhof, der als Interimsspielstätte für das Staatstheater Nürnberg während der Sanierung des Opernhauses dienen soll. Nach Abschluss der Opernsanierung ist geplant, die Spielstätte weiterhin für kulturelle Zwecke zu nutzen. Zudem werden in vier der insgesamt 16 Sektoren des Rundbaus sogenannte Ermöglichungsräume geschaffen. Auf mehr als 7.000 Quadratmetern entstehen Produktions- und Präsentationsflächen für die freie Kunst- und Kulturszene. Ein umfassender Beteiligungsprozess mit kulturellen Akteurinnen und Akteuren der Stadt begleitet die Planung und Umsetzung dieser Räume.
Diese Entwicklungen markieren einen bedeutenden Schritt in der Umnutzung der Kongresshalle und tragen dazu bei, das historische Erbe des Gebäudes mit einer zukunftsgerichteten kulturellen Nutzung zu verbinden.
Im September 2011 hatte ich die Gelegenheit, die leerstehenden Teile des Gebäudes zu erkunden und zu fotografieren. Folgende Fotos entstanden dabei:

























Links und Quellen
Allgemeine Informationen zur Kongresshalle und ihrer Geschichte:
- Stadt Nürnberg: Geschichte & Hintergrund – Kongresshalle
- Wikipedia: Kongresshalle (Nürnberg)
Nutzung nach 1945:
- Stadt Nürnberg: Bauhistorie der Kongresshalle
- Historisches Lexikon Bayerns: Reichsparteitagsgelände, Nürnberg
Aktuelle Entwicklungen und geplante kulturelle Nutzung:
- Stadt Nürnberg: Kulturareal Kongresshalle
- Nürnberger Nachrichten: Heute ist Spatenstich an der Kongresshalle: Warum weltweit nach Nürnberg geblickt wird
Bayerischer Rundfunk: Ehemalige NS-Kongresshalle in Nürnberg: Über ein belastetes Erbe
