Jonathan Danko Kielkowski
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Fotografie, Dokumentation

KONGRESSHALLE NÜRNBERG

Die Kongresshalle in Nürnberg, ursprünglich als monumentales Versammlungsgebäude für die NSDAP geplant, blieb unvollendet und steht heute als Zeugnis des nationalsozialistischen Größenwahns. Nach Jahrzehnten wechselnder Nutzungen und Leerstands wird sie nun zu einem lebendigen Kulturort umgestaltet, der Raum für Kunstschaffende und das Staatstheater Nürnberg bietet. Diese Transformation verbindet die historische Auseinandersetzung mit einer zukunftsgerichteten kulturellen Nutzung.

Datum

2011

Ort

Nürnberg, Deutschland

Die Kongresshalle am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist das größte noch erhaltene Bauwerk aus der NS-Zeit und gilt als Nürnbergs bedeutendstes Bauwerk der Neuzeit. Sie wurde für Tagungen der NSDAP konzipiert und sollte Platz für bis zu 50.000 Menschen bieten.

Die Architekten Ludwig und Franz Ruff entwarfen das Gebäude in Anlehnung an das römische Kolosseum – allerdings in deutlich größeren Dimensionen. Mit einer Grundfläche von 275 mal 265 Metern und einer geplanten Höhe von 70 Metern hätte die Halle doppelt so viele Menschen fassen können wie ihr antikes Vorbild.

Vorgesehen war ein viergeschossiger, hufeisenförmiger Rundbau, flankiert von zwei Kopfbauten mit vorgelagerter Eingangshalle. Die innenliegende Arena sollte von Tribünen umgeben sein, alle auf die zentrale Rednerkanzel ausgerichtet. Darüber hinaus war ein 400 Meter langer Säulengang mit 88 Pfeilern geplant. Gekrönt werden sollte das Bauwerk von einer 25.000 Tonnen schweren Stahlkonstruktion mit 170 Metern Spannweite und einem zentralen Oberlicht, das gezielt Licht auf den Redner lenken sollte – eine bewusst inszenierte Machtdemonstration.

Innenansicht der geplanten Kongresshalle, Modell (Stadtarchiv Nürnberg).
Modell der Kongresshalle.

Der Bau begann 1935 im Rahmen der Reichsparteitage. Aufgrund des sumpfigen Untergrunds wurden rund 22.000 Betonpfähle bis zu 16 Meter tief in den Boden getrieben – allein die Fundamentarbeiten dauerten zwei Jahre. Ab 1937 waren etwa 1.400 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt. Die Kongresshalle war ein Prestigeprojekt des NS-Regimes, inszeniert als nationales Wirtschaftsförderprogramm. Aus diesem Grund wurden ausschließlich deutsche Firmen wie Hochtief, Philipp Holzmann oder Siemens-Bauunion beauftragt. Zwangsarbeiter kamen bei diesem Projekt nicht zum Einsatz.

Fundament arbeiten um 1937 (Stadtarchiv Nürnberg) .
Die Kongresshalle im Bau, 1939 (Stadtarchiv Nürnberg) .
Hitler inspiziert die  Baustelle(Stadtarchiv Nürnberg) .
Fassadenmodell um 1938 (Stadtarchiv Nürnberg) .
Baustelle der Kongresshalle 1939 (Innenhof)

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Arbeiten 1940 endgültig eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt fehlten der komplette Innenausbau, das Dach, die oberen Etagen der Kopfbauten sowie die Eingangshalle. Übrig blieb ein monumentaler Torso, dessen vorhandene Bauteile im Wesentlichen Erschließungsbereiche, Treppenhäuser und Sanitäreinrichtungen umfassen – vermutlich das größte Treppenhaus Deutschlands.

Trotz der massiven Zerstörungen in Nürnberg blieb die Kongresshalle nach dem Krieg weitgehend unbeschädigt. In den Jahrzehnten danach wurde immer wieder über die künftige Nutzung debattiert – von Abriss über Einkaufszentrum bis hin zur Sportarena. Ab 1973 verwarf man den Abriss endgültig: Der Freistaat Bayern erklärte das Gebäude zum zeithistorisch bedeutsamen Denkmal.

Seitdem wurde das Bauwerk vielfältig genutzt – als Lagerhalle, Ausstellungsfläche oder Veranstaltungsort. Im linken Kopfbau befindet sich seit 1963 der Konzertsaal der Nürnberger Symphoniker, im rechten seit 2001 das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände.

Mit einem Stadtratsbeschluss im Dezember 2021 begann schließlich ein umfassender Transformationsprozess: Die Kongresshalle soll ein Ort der Künste und Kulturen werden. Seit Herbst 2023 laufen die Baumaßnahmen – zunächst Schadstoffsanierung und Substanzsicherung, dann der Ausbau zur kulturellen Nutzung. Im Dezember 2024 startete der Bau des neuen Konzertsaals im Innenhof, der als Interimsspielstätte für das Staatstheater dient. Nach dessen Rückzug wird die Halle dauerhaft kulturell genutzt. Parallel entstehen auf über 7.000 m² sogenannte „Ermöglichungsräume“ – Produktions- und Präsentationsflächen für die freie Kulturszene Nürnbergs, begleitet von einem breiten Beteiligungsprozess.

Fotografische Begleitung – Damals und Heute

Ich selbst begleite diesen Transformationsprozess fotografisch seit 2025. Mein Blick richtet sich auf den Bestand, die baulichen Eingriffe und die Übergänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Bereits 2011 hatte ich die Gelegenheit, die leerstehenden Teile der Kongresshalle zu dokumentieren – eine meiner ersten fotografischen Arbeiten. In diesem Beitrag zeige ich eine Auswahl dieser frühen Aufnahmen, ergänzt durch aktuelle Bilder von 2025. Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert, um den Wandel des Ortes im Bild sichtbar zu machen.

2011

2025

Links und Quellen

Geschichtliche Fakten zur Kongresshalle

  1. Wikipedia-Eintrag „Kongresshalle (Nürnberg)“
    Umfassende Informationen zu Fläche, Architekten, Bauverlauf, Denkmalstatus und Nutzungsgeschichte de.wikipedia.org+12de.wikipedia.org+12nuernberg.de+12
  2. Stadt Nürnberg – Bauhistorie der Kongresshalle
    Details zu Fundamentarbeiten, Höhe, Anzahl der Arbeiter und Bauaussetzung 1940 sowie Denkmalstatus de.wikipedia.org+11nuernberg.de+11nuernberg.de+11
  3. Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg (Wikipedia)
    Hintergrund zur Bauherrschaft, Finanzierung ab 1935 und Grundsteinlegung – benanntes Prestigeprojekt de.wikipedia.org+7de.wikipedia.org+7historisches-lexikon-bayerns.de+7

Firmen und Arbeitsbedingungen

  1. Museen Nürnberg / Dokuzentrum – Zwangsarbeit auf dem Reichsparteitagsgelände
    Zeigt, dass Steinlieferanten aus Konzentrationslagern kamen – aber die Kongresshalle selbst nicht von KZ-Häftlingen direkt errichtet wurde de.wikipedia.org+8museen.nuernberg.de+8de.wikipedia.org+8de.wikipedia.org+1de.wikipedia.org+1

Nachkriegs- und Denkmalschutz

  1. Stadt Nürnberg – Kulturareal Kongresshalle
    Beschlusslage 2021, kulturelle Neunutzung mit Staatstheater und freien Kulturschaffenden aem-online.de+15nuernberg.de+15gmp.de+15
  2. Stadt Nürnberg – Gedenkstättenforum – Umgang mit NS‐Inszenierungen
    Denkmalstatus seit 1973, Einrichtung des Dokumentationszentrums 2001, Umgang mit NS-Erbe gedenkstaettenforum.de+1de.wikipedia.org+1

Umbau & kulturelle Neunutzung

  1. gmp Architekten / Presse (2022)
    Machbarkeitsstudie, Ergänzungsbau im Innenhof als Interimsspielstätte baunetz.de+4gmp.de+4nuernberg.de+4
  2. Marktspiegel Nürnberg (2 Monate alt)
    Aktueller Planungsstand: vier „Ermöglichungsräume“ + sechs Segmente für Staatstheater, Ergänzungsbau (800‑Plätze-Saal) marktspiegel.de
  3. Staatstheater Nürnberg (Juli 2024)
    Vergabe des Innenhof-Ergänzungsbaus an Georg‑Reisch GmbH auf Basis eines Entwurfs von LRO de.wikipedia.org+15staatstheater-nuernberg.de+15nuernberg.de+15

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