Jonathan Danko Kielkowski
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Fotografie, Dokumentation

EPISODE 3: Gruve 2

Mitten in der Arktis, zwischen dem europäischen Festland 600 Kilometer im Süden und dem Nordpol 1000 Kilometer weiter nördlich, liegt der abgelegene Archipel Svalbard. Über 400 Inseln, geprägt von gewaltigen Gletschern und tief ins Landesinnere reichenden Fjorden, formen eine Landschaft, in der Eisbären die Oberhand haben – nicht nur zahlenmäßig. Eine Wildnis ohne Straßen, Autos oder Bäume, in der das Verlassen der Siedlung nur mit Gewehr erlaubt ist.

Genau hier, in diesem rauen und faszinierenden Grenzgebiet, brach ich in den Sommern 2015 und 2016 mit einem Freund zu einer Reise auf, die uns tief in die Geschichte und Wildnis Svalbards führen sollte.

Unser Ziel: die Erforschung und Dokumentation der Überreste von Svalbards glorreicher Bergbauvergangenheit. Während unserer Reise erkundeten wir verlassene Orte und Minen, die seit Jahrzehnten im Stillstand verharren.

Datum

15.07.2015

Ort

Longyearbyen, Svlabard

Wenn man durch Longyearbyen läuft, stößt man an jeder Ecke auf Spuren der Vergangenheit als Kohlebergbau-Stadt. Vom rußigen Kohlebrocken im Straßengraben bis zu rostigen Stahlstrukturen, die einst Kohleschächte und Seilbahnen trugen – Überreste, die den ursprünglichen Nutzen des Ortes noch heute erahnen lassen. Eine dieser Spuren ist ein altes Kohlebergwerk mit dem wenig spektakulären Namen „Grube Nummer 2“. Sie befindet sich an einem der steilen Berghänge, die den Ort auf drei Seiten einschließen, 250 Meter über der Stadt. 

Die Einheimischen nennen sie die Santa-Claus-Mine. Einer lokalen Legende zufolge ist sie das Sommerhaus des Weihnachtsmanns. In der Weihnachtszeit wird unterhalb der Mine eine Postbox aufgestellt, damit Kinder ihre Briefe an den Weihnachtsmann einwerfen können – in der Hoffnung, er steige aus der Mine herab und erfülle ihre Wünsche. Allerdings dürfte diese Legende schon etwas älter sein, denn das Gebäude am Mineneingang sieht heute eher aus wie das Versteck eines zwielichtigen Schurken als das gemütliche Feriendomizil des Weihnachtsmanns.

Geschichte
Die Grube 2 wurde 1913 eröffnet, hatte über mehrere Jahre eine hohe Produktionsleistung und erstreckte sich schließlich durch das gesamte Bergmassiv. Die Kohle wurde aus dem tiefen Schacht gefördert und mithilfe von Seilbahnwaggons zum Hafen transportiert. Überreste dieses Seilbahnsystems sind noch überall in der Stadt zu finden.
1937 wurde der ursprüngliche Zugang geschlossen, und ein neuer Einstieg, „Mine 2b“, wurde weiter südlich eröffnet. Während des Zweiten Weltkriegs geriet die Mine 2 ins Visier der deutschen Kriegsmarine: 1943 wurde sie im Rahmen der „Operation Sizilien“ von der „Scharnhorst“ beschossen und in Brand gesetzt. Der Brand schwelte noch bis in die 1960er Jahre weiter.

Nach dem Krieg wurden Arbeiten aufgenommen, um die Mine trotz des schwelenden Feuers wieder in Betrieb zu nehmen, und 1947 wurde die Produktion erneut gestartet. Lüftungsschächte und Stollenöffnungen zogen sich bald durch das gesamte Bergmassiv zwischen dem Longyear-Tal und Endalen.
Im Januar 1952 ereignete sich eine Gasexplosion in der Mine, bei der sechs Männer ums Leben kamen. In den Jahren 1960 bis 1964 kam es zu einem Produktionsstopp, als die Mine 5 eröffnet wurde und die Kohlepreise sanken. Danach wurde der Betrieb in Grube 2 noch einmal aufgenommen, bevor sie schließlich im Winter 1967/68 endgültig geschlossen wurde.

Der steile Aufstieg über loses Geröll und rutschigen Matsch ist eine Herausforderung – ein kostenloses Fitnessprogramm der etwas rustikaleren Art. Doch die Mühe lohnt sich: Am Eingang angekommen, wird man mit einem spektakulären Blick über die Bucht und, nun ja, das Bergwerk selbst belohnt.

Das Gebäude am Eingang der Mine beherbergte einst Werkstätten, Büros und Kohlesilos, in denen die Kohle auf Seilbahnen verladen wurde. Zwischen den Trümmern, Schnee und Eis sind immer noch Werkzeuge und persönliche Gegenstände der Bergleute zu finden – allerdings keine Spur vom Weihnachtsmann. Vielleicht hat er das Sommerhaus inzwischen verkauft?

Normalerweise frieren die Stolleneingänge in dieser Region schnell zu, sobald ein Bergwerk aufgegeben wird. Ein Betreten der Mine wird dann unmöglich. Doch ich hatte Glück: Nach etwa einer Stunde Erkundung des Eingangsbereichs entdeckte ich, dass einer der Zugänge noch offen war. Eine kleine Lücke zwischen dem Eis und der Decke erlaubte es, sich hindurchzuquetschen. Aber Vorsicht: Wer nicht schlangenartig wendig ist oder mit Platzangst zu kämpfen hat, sollte diesen Weg lieber meiden.

Das Innere der Mine war in einem noch schlechteren Zustand als der Eingangsbereich. Werkstätten und Tunnel waren entweder stark beschädigt oder bereits unter dem Druck des Berges eingestürzt. Die Erkundung glich einem gefährlichen Hindernisparcours in einem dunklen Labyrinth – spannend, aber recht kurz. Nach etwa 20 Minuten hatte ich alle noch zugänglichen Stollen erkundet und beschloss, mich wieder auf sichereres Terrain zu begeben.

Das Sommerhaus des Weihnachtsmanns? Vielleicht – oder einfach nur das Lager, aus dem er die Kohlen für die bösen Kinder holt.“

Links und Infos:
Geschichte:

  • Longyearbyen – Wikipedia: Bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte von Longyearbyen, einschließlich Informationen zum Kohlebergbau und den verschiedenen Minen.
    Wikipedia
  • Gruve 2b Mine, Longyear Valley, Longyearbyen, Spitsbergen, Svalbard, Norway: Beschreibt die Geschichte der Grube 2b, auch bekannt als “Julenissegruva” oder “Santa Claus Mine”, und ihre Bedeutung für die lokale Gemeinschaft.
    Mindat

Legende des Weihnachtsmanns:

  • A legend says Santa Claus lives on in a mine on Svalbard: Erklärt die lokale Legende, dass der Weihnachtsmann in einer verlassenen Mine auf Svalbard lebt, und beschreibt die Traditionen der Gemeinde in Longyearbyen.
    9News
  • Longyearbyen: where Santa Claus lives in the mine | Berlinering: Erzählt von der lokalen Überlieferung, dass der Weihnachtsmann in der verlassenen Mine 2b in Longyearbyen wohnt, und beschreibt die damit verbundenen Bräuche.
    Berliner Ring
  • Christmas in Longyearbyen – Visit Svalbard: Beschreibt die Weihnachtsbräuche in Longyearbyen, einschließlich der Tradition, dass Kinder ihre Wunschzettel in einen Briefkasten unterhalb der “Santa Claus Mine” legen.
    Visit Svalbard